“Verstörend und schockierend für meine Familie”
Erstmals äußert sich C&A-Eigentümer Maurice Brenninkmeijer öffentlich zur NS-Geschichte seiner Familie. In der ZEIT spricht er von Opportunismus und Herzlosigkeit.
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“Die Arisierung, ein außerordentlicher Glücksfall…”
Die Recherchen in Sachen der NS Involvierung der C & A Familie Brenninkmeijer sind interessant, geben aber eben nur einen kleinen Einblick in das, was die modische Bekleidungsindustrie vor allem in Berlin seit 1933 antrieb: Gier, Betrug, die Aussicht ohne jüdische Bekleidungsfirmen konkurrenzlos besser wirken zu können, erschreckender Judenhass. Nach 1945 ging es rasch weiter: die Fähigkeit nach dem Krieg eine boomtown Berliner Mode zu schaffen, die fast ausschließlich auf geraubtem jüdischem Kapital beruhte.
Herr Brenninkmeijer, Sie haben weiterhin die Chance den Fokus etwas weiter zu ziehen.
Insgesamt wurden allein in Berlin zw. 1933 -1944 ca. 2 400 jüdische Textil und Bekleidungsfirmen “arisiert” oder deren Eigentum konfisziert. Ich hatte Gelegenheit mit gut 80 der ehemaligen (emigrierten) jüdischen Firmenbesitzer seit 1985 zu sprechen, in den USA, England und Israel. Die Geschichten ähnelten sich. Nicht selten wurden die jüdischen Besitzer von Modefirmen mit hohen Exportquoten mit vorgehaltener Pistole zur Vertragsunterzeichnung gezwungen. Restitution nach dem Krieg wurde kaum geleistet. So im Fall der seinerzeit prominenten Firma des Norbert Jutschenka, einer der großen Stars der Modeszene der 20/30er Jahre; die neuen arischen Besitzer verbrannten vor dem Jutschenka Geschäftshaus am Hausvogteiplatz die Firmenunterlagen.
Die Arisierung der jüdischen Modefirmen rund um den Hausvogteiplatz in Berlin „…war für uns junge, arische Moderschaffende ein außerordentlicher Glücksfall…“, kommentierte 1988 Detlev Albers, Top-Designer der 50er – 70 Jahre in Berlin/Deutschland, den organisierten Raubzug der Nazis auf die Modeindustrie.
Die Zwangsarbeitslager der Textilfirmen wurden logistisch von jenen Designern und Geschäftsleuten organisiert, die das know how aus der Vorkriegsmode gut kannten.
Und die Industrieverbände? Bis heute hat es keiner der Textil-und Bekleidungsverbände geschafft, die Tradition jüdischer Firmen vor allem in Berlin zu würdigen. In diesem Jahr hätte man Anlass gehabt die 180 jährige Tradition der Berliner Konfektions-und Modebranche zu begehen. Doch man ignoriert das lieber, im Schatten der Fashion Week, denn die Verwicklung der Branche in die Naziverbrechen soll offensichtlich nicht aufgearbeitet werden.
Es gehörten eben nicht nur Neckermann, Hugo Boss, Neckermann und – wie wir nun wissen – die Familie Brennikmeijer zu den Treibern des unter staatlichem Schutz vorangetriebenen Raubs auf die jüdischen Modefirmen, sie waren substantieller Bestandteil der Zwangsarbeit und der Konfiszierung jüdischem Eigentums.
Jüdische Firmeneigentümer die nach dem Krieg nach West-Berlin kamen, wurden vom Verband der deutschen Bekleidungsindustrie abgewiesen. Der Verein der Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI) stellte sich taub zu deren Forderungen.
Warum sich bis heute niemand der wenigen und talentierten Modedesigner und der Industrieverbände für diesen Teil ihrer Geschichte interessiert, bedarf der Erklärung.
Im Gegenteil dazu: im Mai feierte die New York Times – und die Designer – 100 Jahre jüdisches Modedesign in der Männermode.
Herr Brenninkmeijer, machen Sie doch nun den nächsten Schritt und ermuntern die Branche, so wie Sie es für Ihr Unternehmen taten, den Blick in die Vergangenheit nicht mehr zu scheuen. Richten Sie einen Fonds für die Nachfahren der Zwangsarbeiter-Familien ein. Sorgen Sie für die Verleihung eines Modedesign Awards im Namen der jüdischen Gründer der Berliner Mode.
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Literaturhinweise:
+ Uwe Westphal, Berliner Mode und Konfektion 1836 – 1939 – Die Zerstörung einer Tradition; + Uwe Westphal, Ehrenfried & Cohn, Roman über den erzwungenen Untergang einer jüdischen Modefirma, Lichtig Verlag, Berlin.[/dark_box]